Öle, Viskosität, Verschleißmechanismen, Ölhaushalt --> mal wieder etwas Technik

Ora

Well-Known Member
Mitglied seit
17. Dezember 2013
Beiträge
5.817
Da man zum Thema Öl in quasi allen verschiedenen Forum immer wieder lustiges liest und das Thema auch wieder hier zu finden ist da Mobil 1 sein New Life geändert hat mal wieder etwas Technik; kann ja nicht schaden...

Wichtig: es geht hier in erster Linie um Mechanik, nicht Chemie.
Außerdem: wir reden nicht über Einlauföle und Motoren die mit einer Ölfüllung 100.000 km laufen sollen und deshalb ganz andere Anforderungen abdecken müssen; ich würde hier eher über perfekt gewartete "Spassfahrzeuge" reden die durchaus den ein oder anderen trackday sehen, dafür aber spätestens alle 2 Jahre oder nach 15 tkm frisches Öl bekommen !

Thema Reibung / Verschleiß:
Ca. 70% der Reibung welche im Verbrennungsmotor anfällt geht auf die Kolbengruppe zurück; d.h. das Tribosystem Kolben - Laufbuchse und in den entsprechenden, kraftleitenden Lagern (Pleuel- und Grundlager)
Verschleiß über welchen wir uns unterhalten und der am relevantesten ist entsteht ebenfalls hier; d.h. an den Lagern und der Kolben-Buchse Paarung.
Bei Porsche wäre die Kolben-Buchse Geschichte interessanter, wir sind aber im BMW - Forum, und da drückt der Schuh mehr an den Lagern.

Deshalb bisschen Theorie:

Stribeck - Kurve + Reibungszustände in Gleitlagern:

Stribeck.jpg

Was zeigt uns die Stribeck - Kurve: dass Verschleiß im Bereich der Mischreibung und Grenzreibung entsteht !
Wann bin ich in diesem Bereich: in 2 Situationen:
a.) beim Start des Motors wenn der Öldruck und die Gleitgeschwindigkeit niedrig und der Ölfilm instabil ist und
b.) bei hohen Lasten (hohe Zünddrücke + Drehzahlen z.b.) wenn trotz hoher Gleitgeschwindigkeit der Druck so groß wird dass die Schmierfilmdicke abnimmt und ich in die Mischreibung komme !

Welche Verschleißtyp überwiegt hängt nun vom Motorkonzept ab: ich kenne Motoren die tatsächlich (nahezu) ausschließlich Mischreibung durch Startvorgänge und Verschmutzung aufweisen und im Betrieb bei guter Wartung quasi keinerlei Verschleiß in den Lagerschalen zeigen da sie sich permanent in der Gleireibung befinden, und es gibt BMW M-Motoren... :pfeif2: :coolnew:

Wie sehen die aus ??

Typisches Verschleißbild BMW M-Pleuellager:

Pleuellager.jpg

Was ich hier sehe sind Verschleißspuren aufgrund Mischreibung bei Hochlastzuständen; viel weniger Anlaufverschleiß (gut zu sehen an den Gegenlagern welche nur Flieh- und keine Druckkräfte aufnehmen müssen und trotzdem Verschleiß zeigen !)


Was heißt das ??
Ein Motor mit solchen Lagern innerhalb normaler Laufzeiten (also << 150 tkm) hat eine grenzwertige Auslegung was die Schmierfilmdicke bei Hochlast angeht !
Heisst: ich muss dafür Sorgen dass das Öl bei Hochlast (hohe Drehzahlen, hohe Drücke, hohe Temperaturen) einen stabilen Schmierfilm halten kann um in dem Diagramm oben rechts der Mischreibung bleiben zu können !
Ergo: würde ich hier ein 0W-30 longlife Öl empfehlen ???
Ähmmm, nein, eher nicht !!

Mit einem Öl welches auch bei hohen Temperaturen eine hohe Viskosität beibehält (also hohe Scherkräfte tragen kann oder einfach gesagt zähflüssig bleibt) bin ich hier besser beraten !
Gleichzeitig würde ich aber kein 10W-60 empfehlen wenn dieses nicht ausdrücklich freigegeben ist !

Wieso ? Weil damit der Kaltstartverschleiss spürbar steigt !
Und noch etwas gilt es zu beachten: mittlerweile sind nahezu alle (hochwertigen) Motoren Öldruckgeregelt (bei Porsche alle ab DFI; also seit 2008); und wenn diese Regelung nun auf ein OW oder 5W abgestimmt wurde kann man sich mit einem höher viskosen Öl ein schönes Ei legen weil Druck und Durchfluss nicht mehr zueinander passen !!

Deshalb: bei Öldruck geregelten Motoren Finger weg von nicht frei gegebenen Viskositätsklasssen :idea:

Zurück zum Thema Mobil 1: das alte 0W-40 war ein hervorragendes Öl mit hervorragenden Niedertemperatur und Hochtemperatur Werten; idealer Schutz also in allen Betriebszuständen :top:
Die neue Formel geht bei Hochtemperatur aber nahe an die Grenze eines -W30; und das würde ich in einem M nicht fahren sondern den Kompromiss 5W-50 wählen !

Wichtig ist noch eine Daumenregel: je größer die Spreizung desto geringer das Wechselintervall; d.h. ein 5W-50 gehört schneller gewechselt als ein 0W-30 Long life; aber darüber reden wir nicht weil wir unser Hobby lieben und entsprechend pflegen, Schkoda und Mercedes "ich warte darauf endlich sterben zu dürfen" Altherren Limo Fahrer dürfen irgendwo anders Geld sparen gehen... :biggrin:

Zum Schluss: wo geht die Reise hin ?? Zu Niedrigstviskosen Ölen !!
Aktuell arbeiten einzelne Hersteller daran 0W-20 Öle freizugeben und selbst 0W-12 Öle laufen schon auf Prüfständen; da werden wir noch interessantes sehen.... :coolnew:

So das wars; da war mir mal wieder drum :pfeif2:
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den tollen Beitrag !:top:

Nur eine Sache ist mir noch nicht ganz klar zu deinem geposteten Bild der Lager. Warum entsteht Anlaufverschleiss nur an den Druck Lagern?
Wenn der Motor andreht entsteht doch überall Verschleiss?
Oder geht das eher darauf zurück dass beim Start durch die Zündungen die unteren Lager viel mehr belastet werden ohne ausreichende Schmierung?

Bin halt nir ein einfach BWLer:helpnew:
 
0W20 ...:winken4:... im MX5 drin. Soll wohl ein ganz gutes Öl sein, kostet scheixxe viel und irgendwie werde ich damit noch nicht so warm. Aber in der Garantiezeit bleibt es auf jeden Fall so.
 
Danke für den tollen Beitrag !:top:

Nur eine Sache ist mir noch nicht ganz klar zu deinem geposteten Bild der Lager. Warum entsteht Anlaufverschleiss nur an den Druck Lagern?
Wenn der Motor andreht entsteht doch überall Verschleiss?
Oder geht das eher darauf zurück dass beim Start durch die Zündungen die unteren Lager viel mehr belastet werden ohne ausreichende Schmierung?

Bin halt nir ein einfach BWLer:helpnew:

Selbe Frage stelle ich mir auch. Anhand der Bilder hätte ich zu beidem tendiert, wobei der Mischzustand bei Hochlast überwiegt. Also bei reinem Hochlastverschleiß sollten doch nur die oberen Lagerschalen verschlissen sein...:confusednew:

Weiterhin könnte man noch sagen, dass von Lagerschale zu Lagerschale die Abnutzung schlimmer wird, weil der Öldruck sinkt...
 
@Ora

Danke für die anschauliche Erklärung.
Der GT86 fährt auch mit 0w20.

Die Sauger Ms sollen ja alle 10w60 fahren. Da würdest du jetzt auch 5w50 reinkippen?

Die Turbo Ms sollen 0w40 oder 5w30 fahren.
Im N54 Forum sind auch alle immer Mobil1 0w40 gefahren, bis man dann drauf kam, dass das wohl sehr viel Sprit aufnimmt und dadurch ja verdünnt wird.
Bei meinem N54 hatte ich das, wenn er im Alltag bewegt wurde brauchte er kaum Öl. Hat er viel auf die Fresse gekriegt hat er ordentlich Öl genommen.

Im N54 Forum steigen jetzt alle auf das Mobil1 5w50 (ohne Freigabe) um.
 
  • Like
Reaktionen: T-B
Welche Marke genau?

Welche Maximaldrücke fährst du unter Volllast, also 10w60 zu 20w60?
 
10w60 ist das Castrol 20W60 ist das Motul 300v le mans , beim Castrol bricht der Öldruck schon ab 115 Grad plötzlich zusammen während er beim Motul auch noch bei 130 Grad problemlos aufrechterhelten bleibt.
 
10w60 ist das Castrol 20W60 ist das Motul 300v le mans , beim Castrol bricht der Öldruck schon ab 115 Grad plötzlich zusammen während er beim Motul auch noch bei 130 Grad problemlos aufrechterhelten bleibt.
Bitte was? Stehe ich gerade auf dem Schlauch, oder sind 120 Grad wirklich viel??? Ich dachte solche Temparaturen sollte jedes 08/15 Vollsynthetiköl locker schaffen.
 
Bitte was? Stehe ich gerade auf dem Schlauch, oder sind 120 Grad wirklich viel??? Ich dachte solche Temparaturen sollte jedes 08/15 Vollsynthetiköl locker schaffen.
nein 120 Grad sind nicht viel, das von BMW für den M freigegebene Öl ist einfach sch*****
ich hatte mit dem Motul schon fast 150 Grad on track ohne Druckprobleme
 
Mittlerweile gibt es doch sowieso nur noch das Castrol Supercar 10W60 oder das Shell Ultra Helix 10W60.

Beide nix, sagst du?

Rein vom Datenblatt liest sich das 300V 20W60 sehr gut. Kalt aber eher honigartig :biggrin2:
 
klar kalt ist nicht so mein Problem da ich nur on track unterwegs bin und dem Motor mit allen Betriebsstoffen vorheize bevor es losgenht
 
....
Nur eine Sache ist mir noch nicht ganz klar zu deinem geposteten Bild der Lager. Warum entsteht Anlaufverschleiss nur an den Druck Lagern?
......
Bin halt nir ein einfach BWLer:helpnew:

Anders rum: Startverschleiß trifft nur die Druckseite da nur hier der Verbrennungsdruck wirkt und schädigend wirkt; die Gegendruckseite bleibt verschont weil beim Kaltstart (normal) nicht mit so hohen Drehzahlen gefahren wird sodass die Fliehkräfte nicht so hoch sind dass sie schädigend wirken.
Aus Erfahrung: viele Motoren können nach längerem stehen bis zu ~ 30s brauchen ehe der Öldruck überall ankommt; aber wenn sie im Leerlauf laufen bis der Druck aufgebaut ist führt das nicht zu Schädigungen.
Dreht man sie aber lastlos hoch, können bereits die reinen Fliehkräfte (welche sich auf die Gaskräfte addieren) ausreichen Schäden zu hinterlassen !
Dass die Lager der Druckseite deutlich höher belastet sind ist auch der Grund dass diese bei Hochleistungsmotoren als Sputterlager ausgeführt sind während die Gegendruckseite normale 2-/ oder 3-Stofflager sind !

Und kein Probem; hab selbst auch noch BWL studiert und zwischenzeitlich wohl genauso viel mit BWL#ern zu tun als mit Technikern... :winken4:

0W20 ...:winken4:... im MX5 drin.
......

Dank dir für die Info :top:
Dachte das die noch keine endgültigen Freigaben haben, ich werd' alt.... :coolnew:

Bitte was? Stehe ich gerade auf dem Schlauch, oder sind 120 Grad wirklich viel??? Ich dachte solche Temparaturen sollte jedes 08/15 Vollsynthetiköl locker schaffen.

Bei 120 °C bricht auch kein Öl zusammen; kein -40 und schon gar kein -60....
Der Fehler der hier meist gemacht wird ist dass die Öltemperatur an verschiedenen Stellen gemessen und verglichen wird...
Ein 20W kann man in einrem reinen track car fahren, in einem Strassen Auto würde ich das aber nicht tun...

Schreib bitte noch was zu den B6 Motoren von Porsche, das interessiert mich persönlich viel mehr.
Mein 4 Zylinder Alltagsfahrzeug bekommt eh nur Heizöl als Schmierstoff :biggrin:

4-Zylinder fährt man mit Altöl, haben nix besseres verdient :biggrin:

Aber Spass beiseite, die Porsche 6 - Zylinder haben hier nix verloren, die verhalten sich konstruktionsbedingt deutlich anders und fallen aufgrund anderer Probleme aus; vor allem die räudig-miese 1. Generation der Wasserboxer welche von 1998 - 2008 verbaut wurden, das sprengt hier den Rahmen und würde die meisten nicht interessieren
 
@3kleineMarder der S54 ist ja noch nicht Öldruckgesteuert und ich fahre mit 20W60 bedeutend besser als mit dem vorgeschriebenem 10W60 was den Öldruck bei Rennstreckeneinsatz angeht

Das 20w kann ich dann aber nicht fahren.
Meiner wird ja auch im Alltag gefahren.
Und das auch bei 0 Grad als extrem. :D

Ich fahre den auch eher mit 3.000 und leichter Last warm anstatt mit 2.000 (da ruckelt der kalt eh nen bisschen, die alte Diva) und mittlerer Last, damit der Karren zügig Temp. kriegt.

@Ora
Die 0w20 werden auch in fast allen franz. Karren gefahren.
(Von Peugeot weiß ich es sicher)
Da hatten wir letztes Jahr mal son altes Ölfass vom Händler gekriegt um das zweckzuentfremden. :D
War natürlich noch nen halber Liter drin.
Das Zeug ist bei 30 Grad Außentemperatur flüssig wie Wasser...

Mach doch für die Pornsche mal nen eigenes Thema. :D
 
Zum Schluss: wo geht die Reise hin ?? Zu Niedrigstviskosen Ölen !!
Aktuell arbeiten einzelne Hersteller daran 0W-20 Öle freizugeben und selbst 0W-12 Öle laufen schon auf Prüfständen; da werden wir noch interessantes sehen.... :coolnew:
Dachte das die noch keine endgültigen Freigaben haben, ich werd' alt.... :coolnew:
Es gibt auch schon 0W-16.
[article=https://www.ato24.de/de/blog/0w-16]Bis zum April 2013 galten SAE 0W-20 Öle als Klasse mit der niedrigsten Viskosität. Doch ab diesem Zeitpunkt wurde eine Änderung in der internationalen Viskositäts-Klassifikation von Motorölen nach SAE J300 vorgenommen. Die Viskosität 0W-16 wurde dabei offiziell aufgenommen.

Kaum ein anderer Markt verkörpert eine solche Dynamik und technologische Entwicklung wie der der Automobile. Und aus diesem Grund wird die Viskositätenklasse 0W-16 definitiv nicht die letzte SAE Klasse bleiben. Die Entwicklung eines 0W-12, 0W-8 oder 0W-4 Motoröls sind schon längst in aller Munde und werden nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.[/article]
 
Mal eine laienhafte Frage: Bei einem 0W-16 Öl fahre ich den Motor doch zu Klump, wenn ich es im Sommer auf der Landstraße mal richtig fliegen lasse?!
 
Zurück
Oben Unten